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Muttertag – was feiern wir da nochmal?

Ende April – höchste Zeit über den Muttertag zu sprechen. Denken zumindest die Kosmetikindustrie, der Einzelhandel und der Blumenladen um die Ecke. Anstelle über das richtige Geschenk zu sinnieren, sollten wir viel eher einmal darüber nachdenken, ob wir diesen Tag eigentlich wirklich brauchen. Oder überhaupt wollen, also wir Mütter.

Warum ist der Vatertag cooler?

Die Kinder basteln Karten, lernen Gedichte auswendig und der Vater kauft Blumen. Wenn‘s gut läuft, wird auch noch ein schöner Frühstückstisch gedeckt, die Mutter feierlich empfangen und dann geht er los: der Muttertag. Nach ungefähr 15 Minuten ist der offizielle Teil aber schon wieder vorbei. Danach? Alles wie immer. Zumindest war es bei uns zu Hause früher so. Schon als Kind habe ich mir gedacht: Vatertag ist cooler. Ein echter Feiertag unter der Woche, nicht Sonntag, wo eh jeder frei hat. Mein Vater ist nach dem Frühstück „Wandern“ gegangen – mit Freunden. Kein schnöder Familienkaffee, sondern Spaß und Action. Meine Mutter hat ihn dann am Nachmittag abgeholt, weil er könne da nicht mehr fahren. Schön für ihn. Also warum genau bekommen wir Mütter Blumen und Gebasteltes am Wochenende, anstelle von Zeit und Spaß mit Freunden unter der Woche?

Mein Wunsch zum Muttertag: Frieden

Als ich mich dann in eh schon krisenpetriger Stimmung (danke SZ-Familie für diesen treffenden Ausdruck) bei meinem Mann beschwert habe, hat er mich gefragt, was ich mir denn zum Muttertag wünsche? Ich musste nicht lange überlegen: Frieden. Und zwar für mich. Ich möchte in Ruhe gelassen werden, einen ganzen Tag friedliche Ruhe genießen. Alleine oder mit einer Person, die nicht zu meiner Kernfamilie gehört. Ich will Wellness, Prosecco, Kuchen und kein Kind ins Bett bringen. Eigentlich will ich am Muttertag nur eins: Keine Mutter sein – zumindest, was die Pflichten und die tägliche Arbeit angeht.

Wer hat’s erfunden?

Ja, das wünsche ich mir für mich. Und ehrlich gesagt fühle ich mich gerade persönlich angegriffen, wenn mir der Blumenladen um die Ecke erzählen will, dass ein kleines Sträußchen alles gut macht. Wir brauchen eine öffentliche Diskussion, in der über das Muttersein ehrlich gesprochen wird. Ein schnödes „Danke“ reicht nicht. Vielmehr sollten wir uns auf die Wurzeln des Muttertags besinnen und über die aktuellen Herausforderungen der Mutterschaft sprechen. Denn genau daraus ist dieser Tag entstanden. Von wegen Erfindung der Blumenindustrie – die hat den Tag nur in Deutschland publik gemacht. Tatsächlich geht der Tag auf die Amerikanerin Ann Maria Reeves Jarvis zurück: Sie organisierte ab 1865 sogenannte Mother Days, an denen sich Frauen über aktuelle Fragen und Probleme austauschen konnten. Ihre Tochter führte ihr Erbe fort und schaffte es tatsächlich, dass 1914 der Muttertag zum gesetzlichen Feiertag in den USA ernannt wurde. Allerdings währte die Freude nur kurz, schon wenige Jahre später kämpfte sie wieder für die Abschaffung des Muttertags. Der Grund dafür war die starke Kommerzialisierung. Sie verlor in Rechtsstreitigkeiten mit der Industrie ihr gesamtes Vermögen, 1948 starb sie in einem Pflegeheim, die Kosten für ihren Aufenthalt dort übernahm netterweise der Verband der Blumenhändler. Kein Witz.

Zurück zum Ursprung

Um nochmal auf die Frage am Anfang zurückzukommen: Ja, wir brauchen einen Muttertag. Aber wir brauchen ihn mehr so, wie ihn die Begründerinnen im Sinn hatten: Als einen Tag, an dem Mütter Zeit haben sich auszutauschen, sich über aktuelle Herausforderungen und Probleme zu beraten und sich ein Netzwerk zu schaffen. Denn gerade jetzt in der Corona-Krise merken wir, wie wenig die Probleme von Müttern gehört werden und wie selbstverständlich die enorme Belastung von Frauen mit Kindern genommen wird. Für normal arbeitende Mütter (und natürlich Eltern generell) ist es schon wahnsinnig schwer, Homeoffice und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bekommen. Hat man gerade ein Unternehmen gegründet, potenziert sich der Druck noch um ein Vielfaches. Und auch die Kommentare: “War vielleicht doch nicht so eine gute Idee, mit Baby zu gründen”. Doch, es war die beste. Denn wir machen darauf aufmerksam, dass es auch unter Müttern die unterschiedlichsten Arbeits- und Berufsmodelle gibt. Modelle, die in Einklang gebracht werden wollen mit Familienleben und Kinderbetreuung. Wie das auch in Krisenzeiten gelingen kann, wäre ein tolles Thema für einen Muttertag im Sinne der Begründerinnen. Gerne auch mit einem Prosecco in der Hand. Prost!

Photo by Maarten Deckers on Unsplash